Zielsetzung des Projektes
Das grundsätzliche Ziel des Verbundprojektes der Lorica Energiesysteme GmbH (Winnemark), dem Technikhaus Gündel (Magedeburg) und den Arbeitsgruppen von Prof. Chmielewski (FB6) und Prof. Richter (FB1) der Hochschule Anhalt besteht darin, durch Abstrahlung spezieller Ultraschalllaute Fledermäuse von den laufenden Rotoren einer Windenergieanlage (WKA) fernzuhalten und deren Flugbahnen in ungefährdete Räume zu lenken. Diese Laute sollen grundsätzlich in Zeitfenstern erwarteter Fledermausaktivität permanent ausgesendet werden, um damit die Tiere aktiv fernzuhalten. In Gebieten mit höherer Fledermausaktivität hätte dieses eine erhebliche Steigerung der Energieausbeuten aufgrund nicht mehr notwendiger bzw. kürzerer Abschaltzeiten der WKA zur Folge. Hierzu sind im Rahmen des Projektes geeignete Komponenten und Testverfahren zu entwickeln und zu erproben. Die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen zur Bereitstellung einer solchen Technologie sollen hier gemeinschaftlich erarbeitet werden. Dazu dient auch die Konstruktion und der Aufbau eines Forschungsdemonstrators. Die Entwicklung und Durchführung von geeigneten Prüf- und Testverfahren, die die Wirksamkeit der Technologie nachweisen können, sind ebenfalls Gegenstand der beantragten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.
Fledermausrufe
Zum Einsatz sollen spezifische Sozialrufe der potenziell betroffenen Fledermausarten kommen, namentlich Warn- bzw. Angstrufe. Zu diesem Zweck müssen einzelne Tiere (zunächst sind Großer Abendsegler und Zwergfledermäuse, die beide besonders häufige Schlagopfer werden, gleichzeitig aber noch relativ häufig und damit wenig gefährdet sind, als Testarten geplant) gefangen und unter Gefangenschaftsbedingungen die entsprechenden Laute in höherer Qualität aufgezeichnet werden. Das Spektrum entsprechender Soziallaute von Fledermäusen ist relativ groß, so dass nach der Aufnahme entsprechender Laute zunächst diejenigen planmäßig erforscht werden müssen, die für einen Einsatz besonders geeignet sind. Dabei sind v.a. zwei Aspekte relevant:
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es müssen diejenigen Laute ausgewählt werden, auf die die Tiere am besten durch Meidung/Flucht reagieren und
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diese Laute müssen im Ultraschallbereich liegen, um nicht (von Menschen) in der Umgebung von WKA gehört zu werden (gerade eine Reihe von Soziallauten liegen auch (teilweise) im hörbaren Bereich unter 20 KHz).
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In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, wie und welche der ermittelten, geeigneten Laute verschiedener Arten miteinander gemixt (abgemischt) werden können, um gleichzeitig gegenüber verschiedenen Arten wirksam zu sein.
Schallabstrahler und Steuerung
Die Schallabstrahler bestehen aus leistungsfähigen Hochton-Lautsprecheranordnungen, die von einem speziellen Leistungsverstärker gespeist werden. Die Schallabstrahler sind dazu beweglich zu konzipieren, um einen möglichst großen räumlichen Bereich der Vergrämung zu erfassen und den starken Fokussierungen der Lautsprecher bei hohen Frequenzen entgegen zu wirken. Hierzu ist ein Leistungsverstärker zu konzipieren. Der Konzeption des Leistungsverstärkers kommt bei dem System eine besondere Bedeutung zu, da dieser zum einen einen weiten Frequenzbereich (bis zu 100 kHz) abdecken muss und weiterhin als Verstärker für sehr hohe Leistungen auszulegen ist. Die Steuerung des Verstärkers soll als flexibles Mikrocomputersystem ausgelegt werden, welches nicht nur monofrequente Signale erzeugen kann, sondern auch als Wobbelgenerator (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Wobbelgenerator) sowie als Zuspieler für Soziallaute fungieren kann. Das Lenkungssystem wird sowohl in die Anlagensteuerung der WKA als auch in ein zentrales Leitstellensystem eingebettet. Zudem ist zu erforschen, ob die Lenkungssysteme auch im Verbund eines Windparks betrieben werden können und Fledermäuse weiträumig um einen Windpark (also um eine Gruppe von WKA) gelenkt werden können.
Ergebnisse der ersten Phase des Projektes (2019-2020)
Die erste Phase des Projektes hatte vor allen Dingen die Zielsetzung den “Player” für das Abspielen der Ultraschalllaute (in unserem Fall Soziallaute) zu konzipieren, aufzubauen und zu testen.
Die Wahl für eine geeignete Versuchsplattform viel auf einen Raspberry Pi der 4ten Generation. Dieser SoC-Rechner konnte mit einem entsprechenden Zusatzmodul für die Wiedergabe von Audiosignalen mit einer Auflösung von 24Bit und einer maximalen Abtastfrequenz von 384kHz betrieben werden. Dies bedeutet, dass Ultraschalllaute mit einer maximalen Wiedergabefrequenz von 192kHz möglich sind. Der Hörbereich der heimischen Fledermäuse wird mit diesem Frequenzbereich hinreichend abgedeckt. Darüber hinaus hat der Raspberry Pi den Vorteil eines integrierten Massenspeichers in Form einer SD-Karte (Speicher für die abzuspielenden Soziallaute) sowie einen Netzwerkanschlusses, so dass in der finalen Ausführung in der Windkraftanlage die Fernsteuerung des Abspielens von unterschiedlichen Soziallauten gesteuert werden kann. Auch die vorhandenen USB-Schnittstellen erhöhen die notwendige Flexibilität.
Als Verstärker wurde eine handelsüblicher Klasse D Verstärker mit einer maximalen Leistung von 300W sowie hierzu passenden Piezolautsprecher für die Schallwiedergabe gewählt.
Die zusammengestellte Wiedergabeeinheit wurde umfangreichen Tests bzgl. der Frequenzlinearität der abgestrahlten Audiosignale, deren Abstrahlreichweite sowie des Abstrahlwinkels unterzogen. Festzuhalten ist, dass die ausgewählten Komponenten linear die Audiosignale über den gewünschten Frequenzbereich abstrahlen, aber bei zunehmender Frequenz (ab ca. 40kHz) eine starke Dämpfung aufweisen. Darüber hinaus ergibt sich eine starke Richtwirkung des Audiosignals. Die aufgetretende Dämpfung kann durch einen leistungstärkeren Verstärker kompensiert werden. Die Richtwirkung der Audiosignale kann durch eine zeitliche Verschiebung des Signals entsprechend angepasst werden. Diese Aufgaben werden in einem späteren Projektabschnitt bearbeitet.
Ein weiterer Aufgabenblock bestand darin Soziallaute von verschiedenen Fledermausarten aufzunehmen und in einer Datenbank zu speichern. Mit einer Fanggenehmgung wurden verschiedene Fledermäuse gefangen und unter verschiedenen Stresssituationen Soziallaute aufgenommen und in der Datenbank abgelegt. Auf diese Art und Weise ist ein sehr umfangreicher Katalog von Lauten mit einer Gesamtkapazität von mehr als 100GB Daten entstanden.
Ergebnisse der zweiten Phase des Projektes (2021-2022)
Ziel der zweiten Phase des Projektes war die aufgebaute Verstärkereinheit (Player, Verstärker, Lautsprecher) unter Verwendung der aufgenommenen Soziallaute im Freifeld auf eine Wirkung des Verhaltens der Fledermäuse zu testen.
Zu diesem Zweck sind die Projektpartner im Herbst 2021 auf ein leerstehendes Gebäude in der Nähe des Flughafens Leipzig/Halle (Land Sachsen) gestoßen und haben dort erste Versuche zur Vergrämung unter Verwendung der aufgenommenen Soziallaute durchgeführt. Hierzu wurden entsprechend der vorliegenden Fanggenehmigung am Vorabend der Tests Fledermäuse gefangen und diese in den Testraum (ca. 60m2 Größe) verbracht. Die Ergebnisse der Tests sind in Form von Videos und Berichten dokumentiert. Es kann festgehalten werden, dass die Fledermäuse in dem zum Test benutzen Raum reflexartig auf die Ausstrahlung der Vergrämungslaute reagierten. Unklar hingegen ist, ob es sich hierbei um Fluchtreflexe oder um pure Neugier auf Grund der Abstrahlung von Lauten handelte. Auf Grund der fortgeschrittenen Jahreszeit konnte nur eine geringe Anzahl von Tests durchgeführt werden, so dass eine valide Aussage über die Wirksamkeit der Vergrämung mittels Soziallauten nur eingeschränkt zum Ende des Projekts möglich war.
Die Abspieleinheit selbst wurde in der zweiten Phase des Projektes überarbeitet. Ein deutlich leistungsstärkerer Verstärker (max. 800W), kaskadierte Piezolautsprecher sowie phasenverschobene Audioverarbeitung kamen zum Einsatz. Dies hatte zum Ziel die in der ersten Phase des Projektes festgestellten Defizite zu kompensieren. Auch mit der überarbeiteten Einheit wurden Frequenzganguntersuchungen, Reichweitenanalysen (bei 100m Reichweite und f=50kHz ca. 20dB Dämpfung) sowie die Richtungsabhängigkeit des ausgestrahlten Audiosignals überprüft. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Abspieleinheit die gestellten Anforderungen erfüllt und in eine WKA eingebaut werden kann.
Nächste Schritte
Auf Grund der final unbefriedigenden Ergebnisse der Tests bzgl. der Vergrämung der Fledermäuse mittels Soziallauten in dem oben erwähnten Testraum wurde mit den Partnern vereinbart unter Zuhilfenahme weiterer Forschungsmittel weitere Freilandversuche durchzuführen mit dem Ziel eine valide Aussage zu finden, ob Soziallaute sich grundsätzlich zur Vergrämung eignen.